Storytelling in Veränderungsprozessen

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Storytelling in Veränderungsprozessen

Johannes F. Reichert - Medienzukunft gestalten - Professionelles Changemanagement und Organisationsentwicklung zu Veränderungsprozessen in Medienunternehmen
Veröffentlicht von Johannes F. Reichert in Strategie · 8 Februar 2018
Tags: ChangeKulturwandelStrategieOrganisationsentwicklung


Medienmacher sind Experten für Storytelling: Wie erzähle ich ein Thema oder eine Geschichte?
Wie erzähle ich sie so, dass die Zuschauer, Hörer, Leser, User sich identifizieren können, hineingezogen werden, bereitwillig folgen - und zufrieden bis zum spannenden Ende dabeibleiben?
Diese Kompetenz wenden sie leider kaum auf sich selbst an – mit fatalen Folgen.
 
Journalist oder Journalistin in einem öffentlich-rechtlichen Sender zu sein ist derzeit nicht einfach:

  • Anfeindungen von außen („Lügenpresse!“, „Fake News!“) stellen die Existenzberechtigung von seriösem Journalismus in Frage. Das eigene professionelle Selbstverständnis, neutraler Sachwalter aller gesellschaftlichen Gruppen zu sein, wird nahezu täglich bombardiert.

  • Die Nachfrage der Kunden nach den eigenen starken Produkten und Marken (vor allem im TV) sinkt kontinuierlich, verschiebt sich in Bereiche, in denen die öffentlich-rechtlichen schlecht aufgestellt sind (Online, digital).

  • Die Ressourcenausstattung sinkt kontinuierlich: Weil höhere Rundfunkbeiträge politisch nicht durchsetzbar sind, muss seit Jahren gespart werden. Wie aber soll man hochwertiges Programm mit immer weniger Geld, weniger Mitarbeitern erstellen?
 
Öffentlich-rechtlicher Journalismus in der Defensive:
Rechtfertigungen, Erklärungen, die meist auf taube Ohren stoßen.
Kein schöner Job.

Vor diesem Hintergrund finden gerade viele, z.T. tiefgreifende, Reformen in den Sendern statt.
Ziel ist zumeist, die Herausforderungen anzunehmen, auf veränderte Bedingungen mit neuen Strukturen, Workflows, Produkte zu reagieren.

Mitarbeiter, die z.T. seit Jahrzehnten nahezu unverändert für eine Redaktion oder eine Sendung gearbeitet haben, sehen sich plötzlich mit drastischen Veränderungen konfrontiert: andere Kollegen, anderer Arbeitsplatz, andere Aufgaben.

Dass solche Veränderungen Reibung und ‚Widerstand‘ erzeugen, ist normal und notwendig:
Warum sollte ich mich verändern, wenn ‚Veränderung‘ zunächst nie ‚Verbesserung‘ bedeutet, sondern sich nur in Richtung ‚Verschlechterung‘ bewegt!?
Nachvollziehbar.

Wie motiviert man Mitarbeiter für notwendige Veränderungen? Die Storytelling-Perspektive
 
1.       Man verordnet die Veränderung einfach.
 
Diese – leider noch weit verbreitete – Strategie führt zwar schnell zu neuen Strukturen, selten jedoch zu einem engagierten Miteinander, zu mitdenkenden Teams, zu attraktiven Produkten. Widerstand gegen die Verordnenden, ‚nine to five‘ und ‚innere Kündigung‘ sind übliche Reaktionen. Die Vorgehensweise mag in einer Verwaltung oder einer Schraubenfabrik funktionieren, nicht aber in einer Organisation, die täglich kreative und begeisternde Produkte entwickeln soll.
 
Storytelling:
„Ich erzähle dir die Geschichte des sympathischen Helden, der durch Druck von oben in ein repressives System gezwungen wird und Widerstand leistet.“
 
Beispiele:
 
·       Spartakus
·       Conan der Barbar

2.       ‚Weg von‘-Motivation
 
„Wir müssen!“ – „Wenn wir uns nicht schnell anpassen, werden wir verschwinden.“
Diese Argumentation ist sicher richtig mit Blick auf die Nachfrageentwicklung und auf einen effizienten Umgang mit Ressourcen. Die Sender stehen unter massivem Druck.
Allein: Für den Einzelnen ist diese Druck-Motivation alles andere als angenehm. Seine individuellen Bedürfnisse werden ignoriert, dem großen Ziel untergeordnet. Er muss sich komplett anpassen – oder gehen.
 
Storytelling:
„Ich erzähle dir die Geschichte des sympathischen Helden, der gegen seinen Willen durch äußere Umstände veranlasst wird, aus seiner Komfortzone heraus zu treten. Er leidet, um größeres Unheil zu verhindern.“
 
Beispiele:
·       Matrix
·       Jeanne d'arc

3.       ‚Hin zu‘-Motivation
 
„Auf zu einem attraktiven Ziel!“
 
Storytelling:
„Ich erzähle dir die Geschichte des sympathischen Helden, der durch äußere Umstände veranlasst wird, seine Komfortzone zu verlassen. Er erlebt dabei viel Neues, Abenteuer, Bewährungsproben, Zweifel, aber er hat eine Mission, hält an seinem wichtigen Ziel fest. Er erreicht das Ziel und hat sich dabei selbst transformiert, zum Besseren verändert.“
 
Auch Journalisten sind Mediennutzer. Auch sie lieben gut erzählte Geschichten - vielleicht sogar mehr, als ihre Kunden. Und das Motiv dieser Heldenreise ist universell - in Hollywood-Filmen ebenso wie in Magazinbeiträgen.
 
Beispiele:
·       Robin Hood
·       Was Frauen wollen
 
Entscheidend für diese Vorgehensweise: Der Protagonist ist nicht allein passiv, reagierend. Er hat ein attraktives Ziel, eine Mission und gestaltet durch seine Handlungen und Entscheidungen den Verlauf der Handlung entscheidend mit.
Er ist: motiviert.

Für Veränderungsprozesse bedeutet das
 
1.      dass die Verantwortlichen in der Lage sein müssen, ihre Ziele und Visionen zu formulieren.
In vielen der gegenwärtigen Prozesse hat zwar der Entscheider eine Vorstellung seines Ziels, kommuniziert es aber nicht - oder nicht ausreichend. In der Folge sehen sich die Betroffenen alleine als Opfer bedrohlicher Mächte. Ohne Verständnis für die Zusammenhänge wählen Sie die Rolle des 'Widerstands-Helden'.

2.      dass die Ziele attraktiv sein müssen für die Betroffenen.
 
a.     Ein Ziel wie „Reduzieren der Mitarbeiter in TV-Redaktion XY um 10 Planstellen“
ist das nicht.

b.     Dagegen: „Wir wollen auch in 5 Jahren noch ein relevanter Medienplayer sein.
Deshalb müssen wir unsere Reichweite bei jüngeren Kunden deutlich steigern, indem wir unsere Social Media-Aktivitäten massiv ausbauen. Dazu wollen wir 10 Planstellen aus den bislang bestausgestatteten TV-Redaktionen verschieben.“
Dieses Ziel ist zumindest nachvollziehbar.

c.      Heißt es zudem „Wir freuen uns auf Bewerbungen aus den TV-Redaktionen
und bieten eine fundierte Ausbildung zum Social Media-Journalist für alle Interessierten.“ wird zudem noch eine persönliche Perspektive geboten.
 
3.      dass die Mitarbeiter nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden,
sondern dass sie beteiligt werden – dass sie ihr Wissen, ihre Kompetenz und ihre Bedürfnisse in den Prozess einbringen können.
Die strategischen Ziele sind dabei gesetzt, die Wege zur Erreichung dieser Ziele aber werden gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt. Führung und Mitarbeiter begeben sich gemeinsam auf eine 'Heldenreise'.
 
Jenseits von Budgetplanungen, Personalfragen oder Dienstplangestaltungen: Führungskräfte sind vor allem dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiter ihres Teams eine attraktive gemeinsame Vorstellung davon haben, warum sie gerade diese Arbeit tun.
Das gilt umso mehr in schwierigen Zeiten.

Qualitätsjournalismus (und dazu zähle ich die öffentlich-rechtlichen Sender) ist ein zentrales Element für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen. Ohne guten Journalismus würde dieses Land schnell in Filterblasen, Einzelinteressen und Konflikte zerfallen.

Der Erhalt und die Stärkung journalistischer Qualität und gesellschaftlicher Werte ist deshalb ein lohnenswertes Ziel, eine Mission für 'Helden' - auch für öffentlich-rechtliche Redakteure.




 
 


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